Die Saat des Wandels: von der Klimaresistenz zur Kohlenstoffsenke

INTERVIEW MIT ELIZABETH LUNIK | SENIOR ANALYST BEI RABOBANK

Indem die Landwirtschaft ihren Fokus auf den Schutz natürlicher Ökosysteme, Bodenqualität und Bodenkohlenstoff richtet, so Elizabeth Lunik, Analyst - Farm Inputs bei der Rabobank, kann sie nicht nur ihre Widerstandsfähigkeit angesichts des Klimawandels erhöhen, sondern auch Teil der Lösung werden.

F1: Was genau ist Ihre Aufgabe bei der Rabobank?

Bei der Rabobank bin ich Senior Analyst für Nachhaltigkeitsfragen im Bereich Nahrungsmittel- und Agrarwirtschaft. Ich bin vor zwei Jahren zur Rabobank gekommen, um die Gelegenheit zu nutzen, angewandte Forschung in strategische Gespräche mit unseren Kunden umzusetzen und die Bank bei der Finanzierung von Lösungen zu unterstützen. Ich strebe an, den Übergang zu einer nachhaltigeren Produktion, einem nachhaltigeren Verbrauch und nachhaltigeren Lieferketten zu ermöglichen. Die Nahrungsmittelerzeugung und Landwirtschaftsökonomie sind meine Leidenschaft und deshalb ist die Rabobank der richtige Arbeitgeber für mich.

F2: Wie verändert sich das Umfeld für landwirtschaftliche Betriebsmittel angesichts sich ändernder regulatorischer Anforderungen und dem Wunsch der Verbraucher nach mehr Nachhaltigkeit?

Regulatorische Anforderungen und Verbrauchernachfrage haben einen sehr starken Einfluss auf diesen Bereich. Unternehmen für landwirtschaftliche Betriebsmittel müssen extrem vorausschauend auf die sich ändernden Vorschriften reagieren, besonders hier in Europa. Die Bestimmungen in Bezug auf den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln werden strenger. In letzter Zeit macht sich das Verbraucherinteresse an Transparenz und Nachhaltigkeit in der Nahrungsmittelherstellung erst richtig bemerkbar, und zwar in Form von Anforderungen und Anfragen des Einzelhandels hinsichtlich der nachgelagerten Lieferkette und Prozesse zur Nahrungsmittelproduktion.

F3: Welche Betriebsmittel werden also in Zukunft mit Blick auf regenerative Landwirtschaft benötigt?

Vergleicht man die regenerative Landwirtschaft mit der heute üblichen konventionellen Landwirtschaft, erfordert sie in der Tat einen völlig neuen Ansatz. Hier müssen wir also zuerst beginnen. Traditionell neigen wir dazu, die Dinge durch die Brille der chemischen Analyse zu betrachten, aber bei der regenerativen Landwirtschaft muss man sie tatsächlich durch die Brille der biologischen Prozesse sehen. Und das bedeutet, dass die Betriebsmittel, die zum Einsatz kommen, sich erheblich von den heute verwendeten unterscheiden werden.

Zwar gibt es noch kein Einvernehmen, was genau regenerative Landwirtschaft bedeutet und welche Prozesse und Ergebnisse damit einhergehen, was wir aber mit Bestimmtheit wissen ist, dass wir die Perspektive grundlegend ändern müssen.

Schauen wir uns zum Beispiel das Saatgut an. Die neue Art der Landwirtschaft benötigt sehr wahrscheinlich anders geartetes Saatgut, das heißt mehr Vielfalt und Sorten, die sich jeweils für die Gegebenheiten vor Ort eignen. Zudem benötigen wir ganz andere Lösungen für den Düngemitteleinsatz und den Pflanzenschutz.

Selbst die Sprache, die wir verwenden, um über die regenerative Landwirtschaft zu sprechen, ist anders. Tatsächlich stellt sie also einen erneuten Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft dar, der eine möglichst hohe Produktivität mit anderen wichtigen Zielen wie der Verringerung von Treibhausgasemissionen, Biodiversität, Bewahrung von Ökosystemen, Wasserspeicherung, Wasserqualität usw., in Einklang bringt. Dieser Paradigmenwechsel gilt auch für den Bereich der Betriebsmittel.

F4: Wie können wir den Einsatz von Betriebsmitteln, die zur Nachhaltigkeit beitragen, fördern und steigern?

Das zentrale Thema der regenerativen Landwirtschaft sind gesunde Böden durch das Zusammenspiel von Techniken der Bodenbearbeitung, Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Mikroorganismen sowie den Klimabedingungen vor Ort. In der regenerativen Landwirtschaft wird häufig mit organischen Reststoffen, möglichst schonender Bodenbearbeitung, Zwischenkulturen, längeren Fruchtfolgen und einer größeren Fruchtvielfalt gearbeitet. Dazu gehören auch der integrierte Pflanzenschutz sowie die Entsorgung von Rückständen. Um die regenerative Landwirtschaft auszubauen, sind Erfahrungsaustausch und gegenseitiges Lernen sowie das Zusammenbringen konventioneller, ökologischer und regenerativer Landwirte zum Thema Verbesserung der Bodenqualität vonnöten.

F5: Welche Techniken und Methoden können diesen Ausbau unterstützen?

Das ist eine gute Frage. Denn um einen Teil der Nachhaltigkeit und Umweltverbesserungen zu erreichen, den die Landwirtschaft erbringen soll, muss sie auch in der Lage sein, bei gleichbleibender Produktivität ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Das heißt also, dass Faktoren wie die Düngemitteleffizienz (Nährstoffeintrag) und der zielgenaue Einsatz von Pflanzenschutzprodukten weiter an Bedeutung gewinnen.

Einige der Technologien, wie punktgenaue Aussaat, zielgerichtete Düngung und maßgeschneiderten Pflanzenschutz gibt es bereits. Allerdings hinkt ihre Einführung noch hinterher. Die alles entscheidende Frage dabei ist, ob die Landwirte durch deren Anwendung einen wirtschaftlichen Nutzen haben. Mit der Verschärfung von Vorschriften und zunehmenden Erwartungen der Gesellschaft an eine nachhaltige Landwirtschaft, wie das aktuell der Fall ist, erhöht sich auch der Veränderungsdruck auf die Landwirte. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Präzisionslandwirtschaft an Bedeutung.

Zweitens werden die Naturwissenschaften für die praktische Umsetzung der regenerativen Landwirtschaft wichtiger. Neue Zuchtmethoden und Geneditierung auf der Saatgutseite bieten beispielsweise verschiedene Möglichkeiten, auf abiotische Stressfaktoren vor Ort zu reagieren. Außerdem wird durch neue Technologien und mikrobiologische Lösungen die Düngemitteleffizienz verbessert. Ich denke, das sind zwei wirklich spannende Bereiche, die eine regenerative Landwirtschaft in großem Maßstab ermöglichen können.

F6: Wie ist der aktuelle Stand der Dinge bezüglich der Bezahlung von Landwirten für ihre Leistungen zum Umweltschutz?

Es gibt zwar eine Reihe verschiedener Vergütungen für Umweltschutz und Biodiversitätsprogramme, aber viele neuere Anstrengungen konzentrieren sich auf die Bodenqualität und Bodenkohlenstoff als 'Umweltleistung', die von der Landwirtschaft erbracht wird. Landbasierte Sektoren, einschließlich der Landwirtschaft haben in letzter Zeit wegen ihres Potenzials als Kohlenstoffsenke an Aufmerksamkeit gewonnen. Dies ist als mögliche Einnahmequelle für die Landwirtschaft und somit für jeden einzelnen Landwirt sehr interessant. Es stecken jedoch eine Menge sehr komplizierter Implikationen und Annahmen dahinter. Soweit wir wissen, ist die Landwirtschaft zum jetzigen Zeitpunkt nicht Teil der regulierten Emissionsmärkte, speziell was das CO2 angeht, da dieser Wirtschaftszweig sehr kleinteilig ist und die Emissionen eines Einzelbetriebs kaum messbar sind. Die Landwirtschaft wurde also ausgeklammert. Zudem dient die Landwirtschaft beispielsweise der Nahrungsmittelerzeugung und Erbringung von Umweltleistungen. Sie wurde also eindeutig aus mehreren Gründen nicht einbezogen.

Wenn wir also Landwirte künftig für Umweltleistungen entlohnen möchten, ist die Kohlenstoffbindung die vielversprechendste Option, da freiwillige Kohlenstoffmärkte bereits entsprechende Projekte im Bereich Forstwirtschaft aufgenommen haben. In den letzten paar Jahren haben freiwillige CO2-Märkte sogar Methoden entwickelt, die versuchen, die Kohlenstoffbindung im Boden zu schätzen. Es geht also nicht nur um die Reduzierung der CO2-Emissionen durch den effizienten Einsatz von Kraftstoffen oder Düngemitteln, sondern auch darum, mehr Kohlenstoff in Wurzeln und Böden zu binden.

Den organischen Kohlenstoff im Boden aufzubauen ist ein dynamischer, langfristiger Prozess, das wissen wir. Die Bindung von Kohlenstoff ist eine äußerst komplexe Wissenschaft, die auf mikrobiologischen Prozessen, Ackerbau- und Bodenbearbeitungsmethoden, dem Fruchtmix, der Beschaffenheit des Bodens und der Klimazone beruht. Die große Frage lautet, wie weit und wie schnell kann sich dieser neue CO2-Markt entwickeln? Aktuell gibt es auf den freiwilligen CO2-Märkten nur einige wenige Projekte für Kohlenstoffbindung im Boden. Künftig erwarten wir aber, dass weitere dazukommen.

Wir müssen aufpassen, dass wir parallel weiterhin Emissionen reduzieren und uns nicht übermäßig auf die CO2-Kompensation durch Bindung im Boden verlassen. Das ist eine sehr wichtige Diskussion, die noch geführt wird.

Der letzte IPCC-Bericht, Sechster Sachstandsbericht, Klimaänderung 2021: Die IPCC-Arbeitsgruppe I, The Physical Science Basis, trägt weiter zum Verständnis der Komplexität des Klimawandels bei. Ein Viertel der Gesamtemissionen, insbesondere der Nicht-CO2-Gase, entfallen auf das globale Ernährungssystem. Die Unbeständigkeit und die Extreme des Klimawandels werfen heute neue Fragen darüber auf, inwieweit AFOLU (Agriculture, Forestry, and Other Land Use) eine natürliche Kohlenstoffsenke sein kann. Dies bedeutet, dass die Kohlenstoffsenke an Land (einschließlich landwirtschaftlicher Böden) besser verwaltet werden muss, um die Volatilität und Variabilität (Flüsse) auszugleichen, die wir mit dem Klimawandel beobachten. Darüber hinaus können wir alle sehen, dass die globale Erwärmung zu einer Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Klima- und Wetterextremen führt - seien es Überschwemmungen in Belgien oder Waldbrände in Oregon. Unsere Aufgabe ist es, die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen, indem wir natürliche Ökosysteme wiederherstellen und schützen sowie die Bodengesundheit und den Bodenkohlenstoff verbessern.

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